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Samstag, 16. Februar 2008
Der Preis des Lebens (3) - Zerbrechlichkeit
wanderstein, 00:57h
"Still I hear the scream of thousands:
Crucify, crucify!!!
Take it all
Our gold, our homes, our life,
But we didn't kill your Christ!!
Reach out for your holy grail
Enslave us and make us
Your god's sacrifice!!"
- Blind Guardian, The Script For My Requiem, on Imaginations from the other Side, 1995
Wenn ich ehrlich über mein Leben berichten sollte, so stünde ich vor einem unlösbaren Problem. Denn wie soll ich wissen, ob ich mich letztendlich nicht doch selbst verfälsche? Insofern ist Ehrlichkeit nur indirekt möglich, indem ich bekenne, ein Lügner zu sein. Wenn ich dieses aber bekenne, so das alte philosophische Problem, kann man mir dieses denn glauben? Kann ich mir glauben?
Ein Satz auf dem Papier ist noch kein Meisterstück. Aber eine Antwort zu finden auf eine nicht gestellte Frage – wie soll das angehen? Was ist Existenz, wenn das, was sie umrahmt, bereits vergangen ist und das, was sie im Inneren begrenzt, erst noch geschieht? Gut 2300 Jahre sind vergangen, seit der Philosoph* den Augenblick erfand – wie viele davon mögen bewusst gelebt worden sein, und nicht einfach nur flüchtig zerfallen in das, was war und sein hätte können; wenn zwischen den Grenzen sich nichts befindet denn ein schmaler Grat ohne Substanz? Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wer bestimmt, was geschah, nachdem es gewesen ist?
Wir beginnen von vorne, und zwar mit dem Zählen. Vor dem Philosophen und den Philosophen waren die Mystiker, die eben auch mit dem Zählen begannen. Und wie so oft in der Mystik beginnt alles im Nichts, das kein Nichts ist, der Null. Mathematisch lässt sich das beispielsweise so ausdrücken: [-1 + 1 = 0]. Gewiss, es ist nichts, aber da steht dennoch eine Formel, die dieses Nichts ausdrückt. Ähnlich stellen sich die Mystiker nahezu aller Zeiten den Ursprung der Welt vor. Wenn nun diese Formel sich aus welchem Grund auch immer auflöst**, erscheinen ihre Teile, und zwar zunächst eine Eins [-1 + 1 = 0 |+1]. Wir sehen, wenn wir die Formel durchrechnen, dass zwei Einsen erscheinen, nämlich [1=1]. Das heißt nach den Regeln der Mystiker, dass das Universum als eine undividierbare Einheit nur sehr kurz besteht, und sodann in zwei Teile auseinander fällt, nämlich der Zwei. Da wir ab der zwei irgendetwas messen können, ist der folgende Vorgang für die Mystiker weniger interessant als der Anfang, wo nach ihrem Glauben eine absolute Einheit hergestellt ist, die sie wieder zu erlangen versuchen. Soweit die eine Seite. Die andere Seite beginnt in etwa, schätzen wir, grob 30 000 Jahre seit Beginn des Mystizismus, wenn wir bei den Schamanen wandernder Menschensippen beginnen, die 33 000 Jahre vor Christus Rituale in Höhlen zelebrierten, oder Bilder an die Felswände malten.
Betrachten wir nun folgendes Zitat aus dem zehnten Buch der aristotelischen Physik: „Die kleinste Zahl, diesen Begriff allgemein genommen, ist die Zwei.“*** Das hat im Grunde zwei einfache Gründe, oder vielmehr: wir reduzieren es auf zwei einfache Gründe – zum einen braucht da, wo eins ist, nicht gezählt zu werden. Mit einem einzigen lässt sich kein logischer Gedanke formulieren. Damit eine Logik funktioniert, muss das Universum mindestens zwei enthalten. Zum anderen ist alles, was vor der Zwei kommt, keiner Beobachtung zugänglich. Auch Aristoteles setzt die Eins, den so genannten unbewegten Beweger als Ursprung der Welt. Die Mystiker sagen aber, entweder das Universum ist leer, also null, oder es enthält nur eines; die darauf folgende Zwei, die entstehende materielle Welt und die darin existierenden Wesen sind eigentlich nur Illusion.
Dieser von Aristoteles entfachte Streit ist bis heute nicht gelöst worden. Entfacht durch Aristoteles deshalb, weil es vor ihm keine nennenswerte Gegenposition gab, die dem mystischen Ursprungsglauben so wenig Respekt zollte. Wir sagen in zweifacher Weise, dass es für die westliche Welt wichtig war: nach seiner Aufteilung teilte sich die Wissenschaft in Gebiete ein, und seine Art, die Welt allein aus der Beobachtung und dem logischen Denken zu erklären, ist bis heute den Wissenschaftsgeist bildend.
Wechseln wir den Blickwinkel. Unser Leben verläuft zwischen der Welt, die wir in unseren Träumen und Wünschen erfahren und der Welt, die wir die „harte Realität“ nennen. Unsere Träume/Wünsche sind nicht real. Sie sind nicht wirklich, sie entstehen quasi aus dem Nichts, jedoch nicht wirklich aus dem Nichts, weil etwas anderes, dass wir nicht beobachten können, nämlich biochemische Prozesse, Affekte und Emotionen und uns verschlossene Eindrücke sich in Metaphern und Bildern ausdrücken, die wir wiederum erfahren. Wenn ein Beobachter auf das Wogen seiner Emotionen trifft, dann entsteht etwas, was er sehen kann – nämlich sich selbst, verborgen unter Metaphern. In der Wirklichkeit trifft der Mensch jedoch auf ein erkennbar von ihm Verschiedenes, und kann somit seine Grenzen bestimmen. Seine Grenzen sind diejenigen, die sein Geist nicht zu überwinden im Stande ist, denn die Welt, die er erfährt, ist, wie seit Kant im Grunde Konsens, nur ein Bild der Welt, dass mehr von der Struktur der Sinne bestimmt wird als von dem, was da draußen tatsächlich ist. Da er um einen solchen Sachverhalt wissen kann, übersteigt das Vermögen des Geistes das Vermögen der Sinne dahingehend, dass er Wissen sammeln kann, das die Information der Sinnesorgane übersteigt. Wir sagen demnach so: die Grenzen der Realität sind das wirklich Werden der Wünsche oder das Erschöpfen der Fähigkeit des Menschen, an die Wahrhaftigkeit seiner Träume zu glauben. Wenn wir sagen, dass ein Mensch zerbricht, dann meinen wir eigentlich damit, dass seine Fähigkeit, an die Wahrheit seiner Träume zu glauben, erschöpft ist.
Wir alle zerbrechen, und zwar aus folgendem Umstand: weil es wahrscheinlicher ist, angenommen, man würde eine Milliarde Jahre alt, im Lotto zu gewinnen, wenn man nur in hundert Millionen Jahren spielt, als durch eine Wand zu laufen, obwohl man eine Milliarde Jahre nichts anderes tut als gegen Wände zu laufen. Es ist nicht unmöglich…nur verflucht nochmal verdammt unwahrscheinlich. Nun wissen wir nicht im Voraus, welche Träume Lottogewinne sind, und welche Wände. Man könnte fast sagen:
Die Wirklichkeit ist die Erfolgsquote der Traumwelt.
Oder anders formuliert: wir sind zu jedem Zeitpunkt das, was die Vergangenheit von unseren Träumen übrig ließ, oder vielmehr, was wir übrig behalten haben können. Wir erkennen ohne Schwierigkeiten die beiden maßgebenden Faktoren: die Art und Weise unserer Träume sowie unser Potential, trotz allem an ihre Wahrheit zu glauben. Es gibt Träume, die das Potential jedweden Menschen zu übersteigen scheinen. Es gibt Menschen, die unter widrigsten Umständen an ihren Träumen festhalten. Gesetzt dieser Rahmenpunkte ist offensichtlich wenn auch unbequem, dass es nicht an der Realität sondern an uns hängt, inwiefern wir unsere Träume, die in gewisser Form wir selbst sind, verlieren oder eben nicht.
Man kann es so sehen, als dass wir selbst ja schon ein Traum sind, an den geglaubt wurde, weswegen wir existieren und nicht an den Wänden der Realität zerbrochen sind wie andere, die schon vor der Geburt oder kurz nachher ihr Leben wieder verlieren. Dieser Glaube kann, so lange der Mensch noch keine Sprache besitzt und damit kein begriffliches Vorstellungsvermögen, also auch keinen „Glauben an irgend etwas“ besitzt, nur von außen kommen. Ob und wieviel Glaube von außen kommt, hängt nun aber, nehmen wir unsere kleine Theorie für zutreffend, vom Glaubenden ab und nicht von dem Objekt des Glaubens – uns. So findet die Realität in uns Einzug und verbindet die innere mit der äußeren Welt – über den Glauben und die Träume der anderen.
Kommen wir auf Aristoteles zurück, um unsere Problematik abzurunden: der, durch die anderen in ihm geschaffene Bezug zur dinglichen Wirklichkeit war ihm nicht genug und geriet in Konflikt mit seinen eigenen Ansichten. So war er schon zu seiner Zeit an Platos Akademie als Andersdenkender bekannt und wohl auch mit grimmig erwiesenem Respekt geachtet. Und nach Platos Tod, nachdem ein anderer die Leitung der Akademie übernahm und Aristoteles diese verließ, begann er, seine Gedanken zu lehren und aufzuschreiben, und sich aus den Trümmern des alten einen neuen Bezug aufzubauen.
Aus den Trümmern der Träume der anderen zimmern wir unsere eigenen Träume und messen sie an ihrem Erfolg, oder werden von anderen durch deren Träume gemessen. Realität nennen wir die Träume, die dieses Maß überstehen. Unsere eigene Realität ist deswegen zerbrechlich, weil sie mit zweierlei Maß gemessen wird: unserem eignen und dem der anderen, und jedesmal, wenn die Maße nicht übereinstimmen, wird unsere Fähigkeit, an unsere Träume zu glauben, auf die Probe gestellt.
Dass manche Träume zerbrechen müssen, weil ihr Zerbrechen Leben bedeutet, ist ein Umstand, der unseren Sachverhalt zusätzlich kompliziert. Manche Wände müssen eingerannt, und manche Lottogewinne verweigert werden. Letztendlich ist es so, dass doch nur die eigenen Träume gezählt werden, weil alle Träume aus der Null in die Welt treten, und ihre Gestalt, wenn sie in der Welt sind, anders ist, als wenn sie entstehen. Und so werden die in uns gelegten Träume, die eigentlich nicht unsere sind, unsere Kraft zu glauben aufbrauchen.
Seine Träume suchen, sein Maß finden, seine Realität entdecken, die Bedeutungen dieser Floskeln sind alle synonym – es ist der Inbegriff dessen, was es bedeutet, herauszufinden, wer man ist. Und um sich zu entdecken, müssen manche Träume zerbrechen.
*Gemeint ist hier Aristoteles. Thomas von Aquin begann in seinen Werken nur noch vom „Philosophen“ zu sprechen, wenn er Aristoteles meinte.
**
Sogar die ältesten mystischen Schriften wie der Rig-Veda weigern sich, einen Grund dafür zu benennen. Die folgende Stelle ist aus der Übersetzung nach Karl Friedrich Geldner zitiert:
„Woraus diese Schöpfung sich entwickelt hat, ob er sie gemacht hat oder nicht - der der Aufseher dieser Welt im höchsten Himmel ist, der allein weiß es, es sei denn, dass auch er es nicht weiß."
- Rig-Veda 10,129.7
***Aristoteles, Physik, Buch IV, Kapitel XII
Impressum
http://wandersteinsgedanken.blogger.de/stories/1035974/
Crucify, crucify!!!
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Our gold, our homes, our life,
But we didn't kill your Christ!!
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- Blind Guardian, The Script For My Requiem, on Imaginations from the other Side, 1995
Wenn ich ehrlich über mein Leben berichten sollte, so stünde ich vor einem unlösbaren Problem. Denn wie soll ich wissen, ob ich mich letztendlich nicht doch selbst verfälsche? Insofern ist Ehrlichkeit nur indirekt möglich, indem ich bekenne, ein Lügner zu sein. Wenn ich dieses aber bekenne, so das alte philosophische Problem, kann man mir dieses denn glauben? Kann ich mir glauben?
Ein Satz auf dem Papier ist noch kein Meisterstück. Aber eine Antwort zu finden auf eine nicht gestellte Frage – wie soll das angehen? Was ist Existenz, wenn das, was sie umrahmt, bereits vergangen ist und das, was sie im Inneren begrenzt, erst noch geschieht? Gut 2300 Jahre sind vergangen, seit der Philosoph* den Augenblick erfand – wie viele davon mögen bewusst gelebt worden sein, und nicht einfach nur flüchtig zerfallen in das, was war und sein hätte können; wenn zwischen den Grenzen sich nichts befindet denn ein schmaler Grat ohne Substanz? Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wer bestimmt, was geschah, nachdem es gewesen ist?
Wir beginnen von vorne, und zwar mit dem Zählen. Vor dem Philosophen und den Philosophen waren die Mystiker, die eben auch mit dem Zählen begannen. Und wie so oft in der Mystik beginnt alles im Nichts, das kein Nichts ist, der Null. Mathematisch lässt sich das beispielsweise so ausdrücken: [-1 + 1 = 0]. Gewiss, es ist nichts, aber da steht dennoch eine Formel, die dieses Nichts ausdrückt. Ähnlich stellen sich die Mystiker nahezu aller Zeiten den Ursprung der Welt vor. Wenn nun diese Formel sich aus welchem Grund auch immer auflöst**, erscheinen ihre Teile, und zwar zunächst eine Eins [-1 + 1 = 0 |+1]. Wir sehen, wenn wir die Formel durchrechnen, dass zwei Einsen erscheinen, nämlich [1=1]. Das heißt nach den Regeln der Mystiker, dass das Universum als eine undividierbare Einheit nur sehr kurz besteht, und sodann in zwei Teile auseinander fällt, nämlich der Zwei. Da wir ab der zwei irgendetwas messen können, ist der folgende Vorgang für die Mystiker weniger interessant als der Anfang, wo nach ihrem Glauben eine absolute Einheit hergestellt ist, die sie wieder zu erlangen versuchen. Soweit die eine Seite. Die andere Seite beginnt in etwa, schätzen wir, grob 30 000 Jahre seit Beginn des Mystizismus, wenn wir bei den Schamanen wandernder Menschensippen beginnen, die 33 000 Jahre vor Christus Rituale in Höhlen zelebrierten, oder Bilder an die Felswände malten.
Betrachten wir nun folgendes Zitat aus dem zehnten Buch der aristotelischen Physik: „Die kleinste Zahl, diesen Begriff allgemein genommen, ist die Zwei.“*** Das hat im Grunde zwei einfache Gründe, oder vielmehr: wir reduzieren es auf zwei einfache Gründe – zum einen braucht da, wo eins ist, nicht gezählt zu werden. Mit einem einzigen lässt sich kein logischer Gedanke formulieren. Damit eine Logik funktioniert, muss das Universum mindestens zwei enthalten. Zum anderen ist alles, was vor der Zwei kommt, keiner Beobachtung zugänglich. Auch Aristoteles setzt die Eins, den so genannten unbewegten Beweger als Ursprung der Welt. Die Mystiker sagen aber, entweder das Universum ist leer, also null, oder es enthält nur eines; die darauf folgende Zwei, die entstehende materielle Welt und die darin existierenden Wesen sind eigentlich nur Illusion.
Dieser von Aristoteles entfachte Streit ist bis heute nicht gelöst worden. Entfacht durch Aristoteles deshalb, weil es vor ihm keine nennenswerte Gegenposition gab, die dem mystischen Ursprungsglauben so wenig Respekt zollte. Wir sagen in zweifacher Weise, dass es für die westliche Welt wichtig war: nach seiner Aufteilung teilte sich die Wissenschaft in Gebiete ein, und seine Art, die Welt allein aus der Beobachtung und dem logischen Denken zu erklären, ist bis heute den Wissenschaftsgeist bildend.
Wechseln wir den Blickwinkel. Unser Leben verläuft zwischen der Welt, die wir in unseren Träumen und Wünschen erfahren und der Welt, die wir die „harte Realität“ nennen. Unsere Träume/Wünsche sind nicht real. Sie sind nicht wirklich, sie entstehen quasi aus dem Nichts, jedoch nicht wirklich aus dem Nichts, weil etwas anderes, dass wir nicht beobachten können, nämlich biochemische Prozesse, Affekte und Emotionen und uns verschlossene Eindrücke sich in Metaphern und Bildern ausdrücken, die wir wiederum erfahren. Wenn ein Beobachter auf das Wogen seiner Emotionen trifft, dann entsteht etwas, was er sehen kann – nämlich sich selbst, verborgen unter Metaphern. In der Wirklichkeit trifft der Mensch jedoch auf ein erkennbar von ihm Verschiedenes, und kann somit seine Grenzen bestimmen. Seine Grenzen sind diejenigen, die sein Geist nicht zu überwinden im Stande ist, denn die Welt, die er erfährt, ist, wie seit Kant im Grunde Konsens, nur ein Bild der Welt, dass mehr von der Struktur der Sinne bestimmt wird als von dem, was da draußen tatsächlich ist. Da er um einen solchen Sachverhalt wissen kann, übersteigt das Vermögen des Geistes das Vermögen der Sinne dahingehend, dass er Wissen sammeln kann, das die Information der Sinnesorgane übersteigt. Wir sagen demnach so: die Grenzen der Realität sind das wirklich Werden der Wünsche oder das Erschöpfen der Fähigkeit des Menschen, an die Wahrhaftigkeit seiner Träume zu glauben. Wenn wir sagen, dass ein Mensch zerbricht, dann meinen wir eigentlich damit, dass seine Fähigkeit, an die Wahrheit seiner Träume zu glauben, erschöpft ist.
Wir alle zerbrechen, und zwar aus folgendem Umstand: weil es wahrscheinlicher ist, angenommen, man würde eine Milliarde Jahre alt, im Lotto zu gewinnen, wenn man nur in hundert Millionen Jahren spielt, als durch eine Wand zu laufen, obwohl man eine Milliarde Jahre nichts anderes tut als gegen Wände zu laufen. Es ist nicht unmöglich…nur verflucht nochmal verdammt unwahrscheinlich. Nun wissen wir nicht im Voraus, welche Träume Lottogewinne sind, und welche Wände. Man könnte fast sagen:
Die Wirklichkeit ist die Erfolgsquote der Traumwelt.
Oder anders formuliert: wir sind zu jedem Zeitpunkt das, was die Vergangenheit von unseren Träumen übrig ließ, oder vielmehr, was wir übrig behalten haben können. Wir erkennen ohne Schwierigkeiten die beiden maßgebenden Faktoren: die Art und Weise unserer Träume sowie unser Potential, trotz allem an ihre Wahrheit zu glauben. Es gibt Träume, die das Potential jedweden Menschen zu übersteigen scheinen. Es gibt Menschen, die unter widrigsten Umständen an ihren Träumen festhalten. Gesetzt dieser Rahmenpunkte ist offensichtlich wenn auch unbequem, dass es nicht an der Realität sondern an uns hängt, inwiefern wir unsere Träume, die in gewisser Form wir selbst sind, verlieren oder eben nicht.
Man kann es so sehen, als dass wir selbst ja schon ein Traum sind, an den geglaubt wurde, weswegen wir existieren und nicht an den Wänden der Realität zerbrochen sind wie andere, die schon vor der Geburt oder kurz nachher ihr Leben wieder verlieren. Dieser Glaube kann, so lange der Mensch noch keine Sprache besitzt und damit kein begriffliches Vorstellungsvermögen, also auch keinen „Glauben an irgend etwas“ besitzt, nur von außen kommen. Ob und wieviel Glaube von außen kommt, hängt nun aber, nehmen wir unsere kleine Theorie für zutreffend, vom Glaubenden ab und nicht von dem Objekt des Glaubens – uns. So findet die Realität in uns Einzug und verbindet die innere mit der äußeren Welt – über den Glauben und die Träume der anderen.
Kommen wir auf Aristoteles zurück, um unsere Problematik abzurunden: der, durch die anderen in ihm geschaffene Bezug zur dinglichen Wirklichkeit war ihm nicht genug und geriet in Konflikt mit seinen eigenen Ansichten. So war er schon zu seiner Zeit an Platos Akademie als Andersdenkender bekannt und wohl auch mit grimmig erwiesenem Respekt geachtet. Und nach Platos Tod, nachdem ein anderer die Leitung der Akademie übernahm und Aristoteles diese verließ, begann er, seine Gedanken zu lehren und aufzuschreiben, und sich aus den Trümmern des alten einen neuen Bezug aufzubauen.
Aus den Trümmern der Träume der anderen zimmern wir unsere eigenen Träume und messen sie an ihrem Erfolg, oder werden von anderen durch deren Träume gemessen. Realität nennen wir die Träume, die dieses Maß überstehen. Unsere eigene Realität ist deswegen zerbrechlich, weil sie mit zweierlei Maß gemessen wird: unserem eignen und dem der anderen, und jedesmal, wenn die Maße nicht übereinstimmen, wird unsere Fähigkeit, an unsere Träume zu glauben, auf die Probe gestellt.
Dass manche Träume zerbrechen müssen, weil ihr Zerbrechen Leben bedeutet, ist ein Umstand, der unseren Sachverhalt zusätzlich kompliziert. Manche Wände müssen eingerannt, und manche Lottogewinne verweigert werden. Letztendlich ist es so, dass doch nur die eigenen Träume gezählt werden, weil alle Träume aus der Null in die Welt treten, und ihre Gestalt, wenn sie in der Welt sind, anders ist, als wenn sie entstehen. Und so werden die in uns gelegten Träume, die eigentlich nicht unsere sind, unsere Kraft zu glauben aufbrauchen.
Seine Träume suchen, sein Maß finden, seine Realität entdecken, die Bedeutungen dieser Floskeln sind alle synonym – es ist der Inbegriff dessen, was es bedeutet, herauszufinden, wer man ist. Und um sich zu entdecken, müssen manche Träume zerbrechen.
*Gemeint ist hier Aristoteles. Thomas von Aquin begann in seinen Werken nur noch vom „Philosophen“ zu sprechen, wenn er Aristoteles meinte.
**
Sogar die ältesten mystischen Schriften wie der Rig-Veda weigern sich, einen Grund dafür zu benennen. Die folgende Stelle ist aus der Übersetzung nach Karl Friedrich Geldner zitiert:
„Woraus diese Schöpfung sich entwickelt hat, ob er sie gemacht hat oder nicht - der der Aufseher dieser Welt im höchsten Himmel ist, der allein weiß es, es sei denn, dass auch er es nicht weiß."
- Rig-Veda 10,129.7
***Aristoteles, Physik, Buch IV, Kapitel XII
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Dienstag, 5. Februar 2008
Der Preis des Lebens (2) - Gewissheit
wanderstein, 00:48h
Hauptteil:
Eigentlich ist das Leben ganz einfach, solange wir den Boden der Tatsachen nicht verlassen. Der Boden der Tatsachen ist eigentlich kein Boden und kann folglich weder als klein noch als groß beschrieben werden Der Boden ist nämlich selbst eine Tatsache, die nicht groß oder klein sein kann, denn dazu bräuchte es die „Böden der Tatsachen“. Er ist ein Axiom, jene nicht näher zu beweisenden Tatsachen, auf denen unsere Paradigmen stehen.
Man stellt sich also auf eine Tatsache und versucht von dort aus auf eine weitere Tatsache zu klettern, immer weiter nach oben. Manchmal muss man wieder runter klettern, weil man keine weitere Tatsache mehr erreicht. Aber wo sind die Tatsachen? Sie befinden sich in einem Raum, dass wissen wir, weil alles, was ist, irgendwo sein muss, sonst kann es nicht sprachlich ausgedrückt werden. Weil also alles so ausgedrückt wird, als wäre es irgendwo, müssen auch Tatsachen irgendwo sein, ganz einfach deswegen, weil die Sprache es erlaubt, nach dem Ort der Tatsache zu fragen. Und ob diese Frage berechtigt ist oder nicht, hängt nicht von ihrem Wortlaut ab, sondern von dem Sinn, indem der Antwortende sie interpretiert.
Die Tatsachen befinden sich also im Raum. Es ist der logische Raum, das ist klar, weil er Tatsachen enthält. Ein Raum ist nur dann ein Raum, wenn er etwas enthält, und wenn er etwas enthält, so hat er Richtungen. Diese Richtungen können wir aber nur anhand des Inhaltes bestimmen. Demnach bestimmen die Tatsachen den Raum. Ohne Eigenschaften bestimmen zu können, können wir nicht von etwas sagen, dass es existiert. Wäre der logische Raum also leer, würde er nicht existieren. Die Tatsachen sind demnach der logische Raum. Oder auch – der Raum ist eine Emergenz* einer Tatsache, was wiederum eine Tatsache ist. Der Raum ist eine Tatsache. Der Boden der Tatsachen ist auch eine Tatsache. Tatsachen sind demnach in sich selbst, fußen auf sich selbst und existieren durch sich selbst – somit kommen einer Tatsache durchweg alle Eigenschaften des Göttlichen zu, woraus wir zweierlei schließen können – entweder, Gott ist eine Tatsache, oder es gibt keine Tatsachen.
Wir sehen eindeutig: Sprache ist ein Spiel, wie Wittgenstein schon sagte**. Wenn Sprache ein Spiel ist, dann ist es auch die menschliche Welt, ja das Menschsein überhaupt, dass untrennbar mit der Sprache in welcher Form auch immer verbunden ist. Wenn das Leben ein Spiel ist, so muss man fragen, welche Regeln es enthält. Die Antwort darauf ist denkbar einfach – das Spielfeld bestimmt das maximale Potential jedweder Möglichkeiten, will heißen, die Naturwissenschaften sowie ihre Gegenstände bilden den sichtbaren Rahmen der Welt, die absolute Wirklichkeit, wie auch immer sie beschaffen sein mag, den unsichtbaren. Da ihr Gebiet und damit auch das der sie erforschenden Naturwissenschaften zu groß ist, um es endlich zu nennen, müssen wir sagen, dass die Welt am Rand keine Grenzen aufweist. Das Spielfeld ist demnach neutral, niemand kann einfach irgendwo hin gedrängt werden, es sei denn durch sein eigenes Unvermögen oder eine Übermacht bzw. seines Unvermögens, gegen diese zu stehen.
Die Regeln des Spiels werden von den Spielern bestimmt, die sich, in welcher Form auch immer auf diese Regeln geeinigt haben. Gibt es Regeln, so werden sie gebrochen. Das geschieht wahrscheinlich, weil es unwahrscheinlich ist, dass alle Spieler sich auf eine Regel einigen. Der Tod beendet das Spiel. Das ist immer so und es wird keine Ausnahme gemacht. Deswegen kann der Tod nicht als Verlieren betrachtet werden, sondern ist Teil des Spiels. Verloren hat, wer nicht gewinnt. Gewonnen hat, wer nicht verliert. Über Sieg oder Niederlage bestimmt niemand denn der Spieler selbst. Das mag uns nach längerem Nachdenken nicht gefallen, ist aber trotzdem so.
Kommentar:
Wir sehen, wie Sprache mit unserem Leben spielt und unser Leben mit der Sprache. Die Frage nach der Relevanz dieses Sprachspiels ist die Frage nach der Natur des Referenten des Wortes "Bedeutung". die Darstellung des oftmals ungerechten, harten, leidhaften und unbequemen Lebens als ein Spiel mag so manchem aufstoßen, was mit dem Referenten eben der Bedeutung des Wortes "Spiel" zusammen hängt. Mit der Washeit*** des Referenten werden wir uns jedoch zukünftig auseinander setzen.
*zum Emergenzbegriff siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz
**Die Sprache als logisches Konstrukt beschreibt Wittgenstein in seinem "Tractatus Logico Philosophicus" (Erstveröffentl. 1921). Die Sprache als Spiel wird von Ludwig Wittgenstein in seinem Werk "Philosophische Untersuchungen" (Erstveröffentl. 1953) beschrieben. Beide Werke sind bei Suhrkamp erhältlich
***zur "Washeit" oder "Quiditas" siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Washeit
Impressum siehe
http://wandersteinsgedanken.blogger.de/stories/1035974/
Eigentlich ist das Leben ganz einfach, solange wir den Boden der Tatsachen nicht verlassen. Der Boden der Tatsachen ist eigentlich kein Boden und kann folglich weder als klein noch als groß beschrieben werden Der Boden ist nämlich selbst eine Tatsache, die nicht groß oder klein sein kann, denn dazu bräuchte es die „Böden der Tatsachen“. Er ist ein Axiom, jene nicht näher zu beweisenden Tatsachen, auf denen unsere Paradigmen stehen.
Man stellt sich also auf eine Tatsache und versucht von dort aus auf eine weitere Tatsache zu klettern, immer weiter nach oben. Manchmal muss man wieder runter klettern, weil man keine weitere Tatsache mehr erreicht. Aber wo sind die Tatsachen? Sie befinden sich in einem Raum, dass wissen wir, weil alles, was ist, irgendwo sein muss, sonst kann es nicht sprachlich ausgedrückt werden. Weil also alles so ausgedrückt wird, als wäre es irgendwo, müssen auch Tatsachen irgendwo sein, ganz einfach deswegen, weil die Sprache es erlaubt, nach dem Ort der Tatsache zu fragen. Und ob diese Frage berechtigt ist oder nicht, hängt nicht von ihrem Wortlaut ab, sondern von dem Sinn, indem der Antwortende sie interpretiert.
Die Tatsachen befinden sich also im Raum. Es ist der logische Raum, das ist klar, weil er Tatsachen enthält. Ein Raum ist nur dann ein Raum, wenn er etwas enthält, und wenn er etwas enthält, so hat er Richtungen. Diese Richtungen können wir aber nur anhand des Inhaltes bestimmen. Demnach bestimmen die Tatsachen den Raum. Ohne Eigenschaften bestimmen zu können, können wir nicht von etwas sagen, dass es existiert. Wäre der logische Raum also leer, würde er nicht existieren. Die Tatsachen sind demnach der logische Raum. Oder auch – der Raum ist eine Emergenz* einer Tatsache, was wiederum eine Tatsache ist. Der Raum ist eine Tatsache. Der Boden der Tatsachen ist auch eine Tatsache. Tatsachen sind demnach in sich selbst, fußen auf sich selbst und existieren durch sich selbst – somit kommen einer Tatsache durchweg alle Eigenschaften des Göttlichen zu, woraus wir zweierlei schließen können – entweder, Gott ist eine Tatsache, oder es gibt keine Tatsachen.
Wir sehen eindeutig: Sprache ist ein Spiel, wie Wittgenstein schon sagte**. Wenn Sprache ein Spiel ist, dann ist es auch die menschliche Welt, ja das Menschsein überhaupt, dass untrennbar mit der Sprache in welcher Form auch immer verbunden ist. Wenn das Leben ein Spiel ist, so muss man fragen, welche Regeln es enthält. Die Antwort darauf ist denkbar einfach – das Spielfeld bestimmt das maximale Potential jedweder Möglichkeiten, will heißen, die Naturwissenschaften sowie ihre Gegenstände bilden den sichtbaren Rahmen der Welt, die absolute Wirklichkeit, wie auch immer sie beschaffen sein mag, den unsichtbaren. Da ihr Gebiet und damit auch das der sie erforschenden Naturwissenschaften zu groß ist, um es endlich zu nennen, müssen wir sagen, dass die Welt am Rand keine Grenzen aufweist. Das Spielfeld ist demnach neutral, niemand kann einfach irgendwo hin gedrängt werden, es sei denn durch sein eigenes Unvermögen oder eine Übermacht bzw. seines Unvermögens, gegen diese zu stehen.
Die Regeln des Spiels werden von den Spielern bestimmt, die sich, in welcher Form auch immer auf diese Regeln geeinigt haben. Gibt es Regeln, so werden sie gebrochen. Das geschieht wahrscheinlich, weil es unwahrscheinlich ist, dass alle Spieler sich auf eine Regel einigen. Der Tod beendet das Spiel. Das ist immer so und es wird keine Ausnahme gemacht. Deswegen kann der Tod nicht als Verlieren betrachtet werden, sondern ist Teil des Spiels. Verloren hat, wer nicht gewinnt. Gewonnen hat, wer nicht verliert. Über Sieg oder Niederlage bestimmt niemand denn der Spieler selbst. Das mag uns nach längerem Nachdenken nicht gefallen, ist aber trotzdem so.
Kommentar:
Wir sehen, wie Sprache mit unserem Leben spielt und unser Leben mit der Sprache. Die Frage nach der Relevanz dieses Sprachspiels ist die Frage nach der Natur des Referenten des Wortes "Bedeutung". die Darstellung des oftmals ungerechten, harten, leidhaften und unbequemen Lebens als ein Spiel mag so manchem aufstoßen, was mit dem Referenten eben der Bedeutung des Wortes "Spiel" zusammen hängt. Mit der Washeit*** des Referenten werden wir uns jedoch zukünftig auseinander setzen.
*zum Emergenzbegriff siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz
**Die Sprache als logisches Konstrukt beschreibt Wittgenstein in seinem "Tractatus Logico Philosophicus" (Erstveröffentl. 1921). Die Sprache als Spiel wird von Ludwig Wittgenstein in seinem Werk "Philosophische Untersuchungen" (Erstveröffentl. 1953) beschrieben. Beide Werke sind bei Suhrkamp erhältlich
***zur "Washeit" oder "Quiditas" siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Washeit
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Freitag, 1. Februar 2008
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wanderstein, 16:50h
Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss, der inhaltlich als Teil dieser Seiten anzusehen ist. Alle von mir gestellten Inhalte, die auf dieser Seite zu finden sind, dürfen ohne schriftliche Erlaubnis meinerseits weder kopiert noch verbreitet werden.
Unter folgender Adresse können die für das Presserecht erforderlichen Daten angefragt werden, falls dringende Ursache dazu besteht.
Don_Reins@web.de
Ich widerspreche einer kommerziellen Nutzung (unangeforderte Werbung etc.) der oben genannten E-Mail-Adresse
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Der Preis des Lebens (1)- Bedeutung
wanderstein, 16:28h
Alles in der Welt, sogar die Überprüfung dieses Sachverhaltes, hat seinen Preis. Es ist eine gute Frage, warum das so ist, denn dies ist keineswegs eine Sache der sprachlichen Darstellung, sondern eine Sache des bewussten Gemüts. Das Bewusstsein hingegen ist zum Teil eine sprachliche Angelegenheit, das heißt nichts anderes, als dass es letztendlich dann doch wieder daran hängt, wie wir es formulieren. Der Mensch unterscheidet sich unter anderem dadurch vom Tier, dass er mehr sein können will als er ist. Wir nennen das Streben. „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“* Goethe sagt das nicht von ungefähr. Es ist dann doch äußerst schwierig, tatsächlich etwas zu Stande zu bringen, was Bedeutung hat.
Was Bedeutung hat, hängt davon ab, wie wir den Begriff verstehen und wie dieses Verständnis mit unserem Empfinden von Bedeutung korrespondiert. Bedeutung ist demnach etwas, was in den Menschen ausgelöst wird. Die Frage des Preises ist dem Sinn nach stets eine „Wenn-Dann-Frage“. Denn wenn ein Zustand eintritt, dann können andere Zustände nicht eintreten. Der Preis ist deswegen unvermeidlich, weil die Welt Augenblick für Augenblick aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit heraus tritt. Und jedem Wirklich Werden geht die Möglichkeit verlustig. Wirklich im Sinne von relevant wird ein Ding in unserer Erfahrungswelt in dem Augenblick, in dem es Bedeutung in uns auslöst. Somit ist der Preis aller Dinge die Reduzierung der Momente von Bedeutung dahin gehend, dass wir sie mit einem einzigen Objekt oder einer Klasse von Objekten verknüpfen. Bedeutung heißt ja im Grunde nichts anderes, als das ein Objekt aus dem Nebel des alltäglichen Hintergrundrauschens heraus in die Klarheit der persönlichen Beziehung rückt, denn indem es in mir etwas auslöst, wird es mir auch gleichsam näher bekannt. In kurzen Worten: Jeder einzelne Schritt im Leben hat seinen Preis, aber ohne einen Schritt zu tun, kommt man nicht von der Stelle.
Es gibt kein Wesen unter unseren Himmeln, das so wunderbare Dilemmata und Rätsel von Geburt an aufbekommt, wie den Menschen. Das Hin und her gerissen sein zwischen dem Wunsch, mehr zu sein als wir sind, dem Wunsch nichts auszulassen und der Gewissheit, dass wir niemals mehr sein können und jeder Schritt eine irreversible Entscheidung bedeutet, ist es, die das Leben so schwer macht. Die wirkliche Herausforderung des Menschen stellt nicht die Meisterung der Natur dar, sondern das Aushalten all seinen Wünschens. Oder sagen wir es so: ein jeder Wunsch ist im Grunde der Wunsch nach Bedeutung. Jedes Erfüllen dieses Wunsches bedeutet einen Schritt und damit das Versagen von anderer Bedeutung. Die Bedeutungen formen unser Leben. Um den Film „The Crow“ zu zitieren: „Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, du bekommst es vielleicht“. Die Frage ist doch: Sind wir uns im Vorherein über die möglichen Konsequenzen unserer Wünsche oder besser Bedürfnisse nach Bedeutung im Klaren? Nein, sind wir nicht – können wir nicht. Können uns alle uns der Möglichkeit nach bekannten Konsequenzen bekannt sein? Theoretisch ja – nur lässt die betreffende Situation zumeist eine derart umfangreiche Introspektion nicht zu. Es ergibt sich eine gewisse Hilflosigkeit dem eigenen Leben gegenüber, die sich aus dem notwendigen „aus-dem-Bauch-heraus-entscheiden“ ergibt. Wir können demnach nicht wissen, ob der Preis nicht höher ist als der Gewinn und müssen dennoch eine Entscheidung fällen.
Ob wir gewinnen oder verlieren, immer wird in uns Bedeutung ausgelöst. Quasi jeder Schritt, den wir tun, liefert uns Bedeutung, und wenn wir bedenken, dass jeder Mensch, ohne Ausnahme nur eine endliche Liste von Schritten hat, die er gehen kann, hat jeder Mensch im Grunde die gleiche Menge an Bedeutung, gemessen an der Anzahl seiner Schritte gehabt. Ein bedeutungsloses Leben kann demnach nur eines sein, indem keine Schritte gemacht wurden. Wir müssen schließlich mit unserem Leben leben. Insofern kommt es hauptsächlich auf die Bedeutung an, die wir selbst unserem Leben verleihen und diese ist an die Anzahl der Schritte geknüpft, die wir in unserem Leben gehen, nicht an dessen Dauer. Das ist einer der Witze des Lebens, dass seine Dauer im Grunde in Schritten bemessen wird, deren Währung die Augenblicke sind, die sich im aristotelischen Sinne nicht in der Zeit befinden, weil in ihnen keine Zeit vergeht. Auch Wittgenstein bemerkte in seinem Tractatus trocken, dass derjenige ewig lebt, der in der Gegenwart lebt. Der Preis ist also die Frage nach der Bewertung der Bedeutung von positiv oder negativ. Es ist eine Frage des eigenen Selbst, wie groß der Preis und wie groß der Gewinn ist. Misst man dieses an der Anzahl der freiwillig Lebenden, ist der Gewinn anscheinend immer noch höher als der Preis, wie hoch dieser auch sein mag. Das Leben in der Sprache, soviel will ich noch bemerken, ist wahrlich eine sehr seltsame Form von Wahnsinn.
*Goethe, (Faust II, 5. Akt, Bergschluchten, Vers 11936f)
Impressum siehe:
http://wandersteinsgedanken.blogger.de/stories/1035974/
Was Bedeutung hat, hängt davon ab, wie wir den Begriff verstehen und wie dieses Verständnis mit unserem Empfinden von Bedeutung korrespondiert. Bedeutung ist demnach etwas, was in den Menschen ausgelöst wird. Die Frage des Preises ist dem Sinn nach stets eine „Wenn-Dann-Frage“. Denn wenn ein Zustand eintritt, dann können andere Zustände nicht eintreten. Der Preis ist deswegen unvermeidlich, weil die Welt Augenblick für Augenblick aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit heraus tritt. Und jedem Wirklich Werden geht die Möglichkeit verlustig. Wirklich im Sinne von relevant wird ein Ding in unserer Erfahrungswelt in dem Augenblick, in dem es Bedeutung in uns auslöst. Somit ist der Preis aller Dinge die Reduzierung der Momente von Bedeutung dahin gehend, dass wir sie mit einem einzigen Objekt oder einer Klasse von Objekten verknüpfen. Bedeutung heißt ja im Grunde nichts anderes, als das ein Objekt aus dem Nebel des alltäglichen Hintergrundrauschens heraus in die Klarheit der persönlichen Beziehung rückt, denn indem es in mir etwas auslöst, wird es mir auch gleichsam näher bekannt. In kurzen Worten: Jeder einzelne Schritt im Leben hat seinen Preis, aber ohne einen Schritt zu tun, kommt man nicht von der Stelle.
Es gibt kein Wesen unter unseren Himmeln, das so wunderbare Dilemmata und Rätsel von Geburt an aufbekommt, wie den Menschen. Das Hin und her gerissen sein zwischen dem Wunsch, mehr zu sein als wir sind, dem Wunsch nichts auszulassen und der Gewissheit, dass wir niemals mehr sein können und jeder Schritt eine irreversible Entscheidung bedeutet, ist es, die das Leben so schwer macht. Die wirkliche Herausforderung des Menschen stellt nicht die Meisterung der Natur dar, sondern das Aushalten all seinen Wünschens. Oder sagen wir es so: ein jeder Wunsch ist im Grunde der Wunsch nach Bedeutung. Jedes Erfüllen dieses Wunsches bedeutet einen Schritt und damit das Versagen von anderer Bedeutung. Die Bedeutungen formen unser Leben. Um den Film „The Crow“ zu zitieren: „Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, du bekommst es vielleicht“. Die Frage ist doch: Sind wir uns im Vorherein über die möglichen Konsequenzen unserer Wünsche oder besser Bedürfnisse nach Bedeutung im Klaren? Nein, sind wir nicht – können wir nicht. Können uns alle uns der Möglichkeit nach bekannten Konsequenzen bekannt sein? Theoretisch ja – nur lässt die betreffende Situation zumeist eine derart umfangreiche Introspektion nicht zu. Es ergibt sich eine gewisse Hilflosigkeit dem eigenen Leben gegenüber, die sich aus dem notwendigen „aus-dem-Bauch-heraus-entscheiden“ ergibt. Wir können demnach nicht wissen, ob der Preis nicht höher ist als der Gewinn und müssen dennoch eine Entscheidung fällen.
Ob wir gewinnen oder verlieren, immer wird in uns Bedeutung ausgelöst. Quasi jeder Schritt, den wir tun, liefert uns Bedeutung, und wenn wir bedenken, dass jeder Mensch, ohne Ausnahme nur eine endliche Liste von Schritten hat, die er gehen kann, hat jeder Mensch im Grunde die gleiche Menge an Bedeutung, gemessen an der Anzahl seiner Schritte gehabt. Ein bedeutungsloses Leben kann demnach nur eines sein, indem keine Schritte gemacht wurden. Wir müssen schließlich mit unserem Leben leben. Insofern kommt es hauptsächlich auf die Bedeutung an, die wir selbst unserem Leben verleihen und diese ist an die Anzahl der Schritte geknüpft, die wir in unserem Leben gehen, nicht an dessen Dauer. Das ist einer der Witze des Lebens, dass seine Dauer im Grunde in Schritten bemessen wird, deren Währung die Augenblicke sind, die sich im aristotelischen Sinne nicht in der Zeit befinden, weil in ihnen keine Zeit vergeht. Auch Wittgenstein bemerkte in seinem Tractatus trocken, dass derjenige ewig lebt, der in der Gegenwart lebt. Der Preis ist also die Frage nach der Bewertung der Bedeutung von positiv oder negativ. Es ist eine Frage des eigenen Selbst, wie groß der Preis und wie groß der Gewinn ist. Misst man dieses an der Anzahl der freiwillig Lebenden, ist der Gewinn anscheinend immer noch höher als der Preis, wie hoch dieser auch sein mag. Das Leben in der Sprache, soviel will ich noch bemerken, ist wahrlich eine sehr seltsame Form von Wahnsinn.
*Goethe, (Faust II, 5. Akt, Bergschluchten, Vers 11936f)
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