Montag, 10. November 2008
Von der Liebe III
wanderstein, 22:49h
Wer mich einen Narren schilt, weil ich jung bin und das Leben einen Sturm nenne, der ist selbst ein Narr. Wer mich einen Narren schilt, weil ich stürme und dränge, der soll mein Schwert spüren, denn ich bin des Mordes fähig, um des Lebens willen. „Und Schlag auf Schlag! Wird ich zum Augenblicke sagen…“
Schelten soll man die, die das Leben verkehren, nicht ihrer Natur gemäß sind, nicht ihrem Willen gemäß leben. „Do what you wilt, shall be all of the law. Love shall be the law, love under wilt.“ Gescholten soll derjenige werden, der wider besseres Wissen handelt und durch Belehrung nicht zur Vernunft gebracht werden kann. Ihn muss man durch die Macht der Gefühle zwingen. Nicht alle können weise Lehrer und Buddhas sein, einige von uns müssen sich mit dem Schwert durch das Schwert um diejenigen kümmern, die nicht den Pfad der Selbsterkenntnis beschreiten, damit die Lehrer lehren können und die Buddhas lange genug leben, um erleuchtet zu werden. Einen mittleren Weg beschreiten kann nur derjenige, der links und rechts von sich etwas hat.
Wer nichts und niemanden hat, der hat auch keinen Weg. Etwas muss schon besessen werden, weil man nur so weiß, wo man ist. Man kann nur gehen, wenn man einen Ort hat, den man verlässt. Man kann nur dann nicht anhaften, wenn es Dinge gibt, an denen man anzuhaften vermeidet. Leiden gehört zum Leben und wird daraus niemals verschwinden, weil dieses mittelmäßige Einerlei kein Leben wäre. Maschinen leiden nicht.
Verdammt, ich will mein Recht auf Leiden, mein Recht auf Sturm, mein Recht auf Blut und Boden in meiner Seele. Es ist das Recht gegen sich selbst Krieg zu führen, das Recht, uneins mit sich zu sein, das Recht sich zu spalten. Es ist das Recht die Liebe zu verlieren und trotzdem zu leben, das Recht, Hitler zu sein und sich trotzdem zu ändern. Es ist das Recht, die Meinung der Welt über den Haufen zu schießen und die eigene anstelle zu setzen. Es ist das Recht zu bluten. Welches Recht habe ich, wenn nicht dieses?
„Sex ist eine Schlacht. Liebe ist Krieg.“ Mann und Frau, der Gegensatz, Materie und Antimaterie, so stark in ihrer Wechselwirkung, dass sie sogar Leben hervorbringen können. Ein Kampf, der zu neuem Leben führt, aber „le petit mort“ genannt wird. Vollkommenheit ist nicht lebendig und schafft auch nichts. Wozu ist sie also zu gebrauchen? Wir brauchen sie vielleicht nur, um Krieg gegen sie zu führen und uns in unserer Unvollkommenheit ihr gegenüber zu behaupten. Tod und Verderben beschwören wir herauf, um in wildem Tanze ihr zu sagen, wie sehr wir doch unsere Unvollkommenheit lieben und das Vollkommene verabscheuen – und das sind Worte von einem, der Platon sehr liebt.
Vor dem Blut kommt der Wille, jenes seltsame Gebilde, dass wir unser eigen nennen, und das bei genauer Untersuchung nicht zu finden ist. Wo ist er, dieser Wille, wenn wir verzweifelt nach Liebe schreien, in den Tiefen der Nacht? Ihn müssen wir suchen. Dort, wo er ist, werden wir die Macht finden, uns gegen das Vollkommene zu behaupten.
Schelten soll man die, die das Leben verkehren, nicht ihrer Natur gemäß sind, nicht ihrem Willen gemäß leben. „Do what you wilt, shall be all of the law. Love shall be the law, love under wilt.“ Gescholten soll derjenige werden, der wider besseres Wissen handelt und durch Belehrung nicht zur Vernunft gebracht werden kann. Ihn muss man durch die Macht der Gefühle zwingen. Nicht alle können weise Lehrer und Buddhas sein, einige von uns müssen sich mit dem Schwert durch das Schwert um diejenigen kümmern, die nicht den Pfad der Selbsterkenntnis beschreiten, damit die Lehrer lehren können und die Buddhas lange genug leben, um erleuchtet zu werden. Einen mittleren Weg beschreiten kann nur derjenige, der links und rechts von sich etwas hat.
Wer nichts und niemanden hat, der hat auch keinen Weg. Etwas muss schon besessen werden, weil man nur so weiß, wo man ist. Man kann nur gehen, wenn man einen Ort hat, den man verlässt. Man kann nur dann nicht anhaften, wenn es Dinge gibt, an denen man anzuhaften vermeidet. Leiden gehört zum Leben und wird daraus niemals verschwinden, weil dieses mittelmäßige Einerlei kein Leben wäre. Maschinen leiden nicht.
Verdammt, ich will mein Recht auf Leiden, mein Recht auf Sturm, mein Recht auf Blut und Boden in meiner Seele. Es ist das Recht gegen sich selbst Krieg zu führen, das Recht, uneins mit sich zu sein, das Recht sich zu spalten. Es ist das Recht die Liebe zu verlieren und trotzdem zu leben, das Recht, Hitler zu sein und sich trotzdem zu ändern. Es ist das Recht, die Meinung der Welt über den Haufen zu schießen und die eigene anstelle zu setzen. Es ist das Recht zu bluten. Welches Recht habe ich, wenn nicht dieses?
„Sex ist eine Schlacht. Liebe ist Krieg.“ Mann und Frau, der Gegensatz, Materie und Antimaterie, so stark in ihrer Wechselwirkung, dass sie sogar Leben hervorbringen können. Ein Kampf, der zu neuem Leben führt, aber „le petit mort“ genannt wird. Vollkommenheit ist nicht lebendig und schafft auch nichts. Wozu ist sie also zu gebrauchen? Wir brauchen sie vielleicht nur, um Krieg gegen sie zu führen und uns in unserer Unvollkommenheit ihr gegenüber zu behaupten. Tod und Verderben beschwören wir herauf, um in wildem Tanze ihr zu sagen, wie sehr wir doch unsere Unvollkommenheit lieben und das Vollkommene verabscheuen – und das sind Worte von einem, der Platon sehr liebt.
Vor dem Blut kommt der Wille, jenes seltsame Gebilde, dass wir unser eigen nennen, und das bei genauer Untersuchung nicht zu finden ist. Wo ist er, dieser Wille, wenn wir verzweifelt nach Liebe schreien, in den Tiefen der Nacht? Ihn müssen wir suchen. Dort, wo er ist, werden wir die Macht finden, uns gegen das Vollkommene zu behaupten.
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Mittwoch, 16. Juli 2008
Von der Liebe I - Schmerz
wanderstein, 22:36h
Stand and fight
Live by your heart
Always one more try
Im not afraid to die
Stand and fight
Say what you feel
Born with a heart of steel****
Die Liebe ist nicht perfekt – das war sie nie und das wird sie nie. Die meisten Geschichten der Liebe enden tragisch und schmerzvoll…
…und dennoch wünscht sich ein jeder, hinein zu fallen in das Auflösen des Selbst. Die Frage nach der Bedeutung der Liebe ist eine unsinnige Frage. Gewiss haben wir uns eine Welt des Leidens geschaffen, dass durch eben sie gekrönt wird, indem sie dem Leiden durch die Sehnsucht widerspricht. Was der Liebe Hohn spottet sind idealisierte Geschichten mit amüsanten Scheinproblemen, exzessiven Beschreibungen, wie gut die Protagonisten zueinander passen sowie intellektuellem Schwadronieren über ihren Reiz und ihre Verdammnis.
Die Frau die man liebt durch welchen Umstand auch immer zu verlieren ist eine Folter, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche. Ich würde ihm lieber die Zunge heraus schneiden, seine Augen blenden, seine Ohren taub machen und seine Hände und Füße unbrauchbar, als ihm die Frau zu nehmen, die er liebt. Und dennoch leben wir damit, leben damit, weil es so gekommen ist und darben und hungern und sterben jeden Tag ein wenig mehr. Blut darauf.
Es gibt Dinge, die kann man nicht vergessen. Wie sie gerochen hat – wie ihre Küsse sich anfühlten, ihre Haut, ihr Haar. Wie kalt sie sein konnte und wie schnell verletzt. Wie undankbar und wie nachlässig. Wie wunderbar es war, sie in meinen Armen zu haben und zu hören, wie sie von ihrem Leben erzählte. Ihr Anblick in einem Kleid auf den Rheinwiesen… solche Listen sind lang. Und wer es wagt, mich einen Idioten zu nennen, weil ich diesem nachhänge, der muss seinen Worten Taten folgen lassen, denn ich fordere ihn auf einen Kampf auf Leben und Tod. Es ist mir vollkommen ernst. Lieber sterbe ich, als Jahre meines Lebens und Sehnens zu verleugnen, von denen ich tief in mir fühle, dass sie weder vergebens waren noch sinnlos, noch dass sie umsonst waren oder zu teuer bezahlt wurden. So ist die Liebe.
Was soll ich Schönes erzählen? Wer liebt, kennt ihre Wunder. Wer die Wunder nicht erlebt, braucht nichts von ihnen zu wissen. Aber von all dem Leiden kann man sprechen, von all dem Schmerz, den einsamen Nächten, angefüllt mit den zwei Arten des Weinens, des Weinens um sich selbst und des Weinens um das, was man verloren hat, von welchem das letztere das Schlimmere ist. All die Drogen und idiotischen Phrasen, die man durch den Kopf bzw. in die Nacht jagt, nur um am nächsten Morgen trotzdem wieder aufzuwachen – in den trüben Morgen im Chaos der letzten Monate des Nicht Aufräumens, stinkend und mit knurrendem Magen. Blut darauf.
Wer denkt nicht an all die Zigaretten, Joints, Zigarren, Pfeifen, Eimer, manch einer hämmert sogar seinen Schädel gegen die Wand und schreit angesichts der blutigen Wunde ein wahrhaft barbarisches JAUP:
Nieder die Kunst, die nicht dem Blute entsprang,
gleich tosenden Wellen der Seele entrann!
Das ist die Liebe. Wenn die Dinge zu groß sind für das Tor, durch das sie hindurch möchten. Wenn man erst merkt, dass man kämpft, wenn man verloren hat – das ist die Liebe. Das Fremde, das nicht zu Verstehende, das Unergründliche, das Bedrohliche, in dem man sich selbst verliert – indem die Gefahr besteht, zu sterben – das ist die Liebe. Brennende Worte werden in dieser Fremde gesprochen und jede unbedachte Bewegung macht aus einer offenen Hand ein Schwert. Wegweiser sucht man vergebens, und Fallen lauern auf jedem Pfad. Und dennoch wird jeder ihn begehen, der ihren Odem auch nur für einen Augenblick vernahm.
Sie ist wie der Tod – man kann sich zu ihr nicht stellen. Sie hebt eine jede Position auf. Wer bist du, wenn nicht Position? So beschaffen ist die Fremde.
Wie ein Ikarus sind wir, wenn uns die Liebe beflügelt. Niemand widersteht dem Rausch, der nicht ein alter Mann ist, das will uns diese Legende sagen. Wer also lebt und liebt, verbrennt an der Sonne und stürzt und stirbt. Bevor er wieder lieben kann, muss er sich selbst neu gebären. Wisst ihr, wie?
So beschaffen ist die Fremde. Blut darauf.
Die große Bestie, die der Morgenröte spottet, die Frau auf dem dreiköpfigen Tier, das ist die Liebe. In den Kleidern der Ishtar kommt sie daher und verspricht, was sie niemals halten wird, weil das, was sie verspricht, nur in jenem Augenblick galt, indem es versprochen wurde. Eine launische Idee – das ist die Liebe. Nirgends hat es glühendere Geschichten gegeben, als an jenen Orten, an denen der Pfuhl zwei Menschen die Liebe verbot – glücklich, wer in diesen Breiten liebt. Denn wie wäre es, wenn die zwei sich selbst die Liebe verböten, so wie es gemein geschieht? Niemand erfährt davon, niemanden interessiert es. Es ist so tragisch und leidvoll, dass die Menschen lieber nichts davon wissen wollen. Lieber glauben sie das Gelaber von Amüsements und Kabalen.
All diese Schreie und das Toben, die Verzweiflung und das Einreißen der Tore, um Dinge hindurch zu lassen, die dafür noch zu groß sind. Was geschieht? Das Tor stürzt ein, wenn man es nicht stützt. Baut man es wieder auf, macht man es größer. Und was wird geschehen? Dieser Absatz beginnt wieder von vorne. Der Weg ist niemals zu Ende gegangen, so lange man sein Ende nicht beschließt.
All diese Blumen und Düfte, verschlungene Arme und Beine, all das Küssen und streicheln, sich fordern und nehmen, all das Lieben, die Ekstase in trunkenen Stadtnächten, all dieser Rausch… Realität tötet, oder die Liebe tötet, du kannst es dir aussuchen. Vielleicht töten ja beide.
Vielleicht sollte man um die Tore nicht so ein Gewese machen. Schließlich sind Tore dafür da, passiert zu werden, nur bei den meisten bitte passend in Scheibchen. Wer das ganze will, der muss aufpassen, dass er nicht erstickt, aber das ist ja seine eigene Schuld – was baut er das Tor auch zu klein?
Ja, wirst du sagen, ich habe das nicht gebaut. Tja, sage ich, fick dich, hast du. Du hast nicht gewusst, was du da tust, das ist richtig. Aber du hast es gebaut. Und die Welt hat dir geholfen. Tore einreißen ist eine Arbeit, bei der man kotzen muss und Tore aufbauen eine, bei der man ständig schmerzt. Erst Kotzen, dann Schmerzen – rosige Aussichten und dennoch…
…ein Kuss, und alles ist vergessen, eine Umarmung und alles vergeben, ein Wort und alles erlöst. Das ist die Liebe. Blut darauf.
Die Welt ist gewaltig. Sie ist gewalttätig. Sie kennt keine Gnade. Sie kennt keine Guten und keine Bösen. Sie kennt keine Absicht. Wir, die wir die Gewalt verstehen, haben die Gnade in sie getragen. Wir, die wir gnädig sind, kennen gute und böse Absichten. Doch das interessiert diese Welt überhaupt nicht. Und wir haben nicht die Macht, ihr die Gnade aufzuzwingen. Und wie die Welt, so ist die Liebe.
Du fragst mich nach Lösung, ich kenne keine. Ich gehe in den Untergang, und ich werde stehend sterben. Mehr habe ich nicht und mehr kann ich auch dir nicht anbieten. Ich werde viele Dinge sehen auf meinem Weg – das ist alles. Ich werde nicht wissen, ob sie gut oder böse waren, weil die Welt sie als solche nicht geschaffen hat. Die Welt ist, wie sie ist.
Auch ich bin, der ich bin**. Dafür müssen wir sterben. Adam und Eva, aus dem ewigen Leben vertrieben, weil sie die Erkenntnis um Gut und Böse gefunden hatten – weil sie sagten: ich bin nicht mehr dein alleiniger Diener, oh Herr, ich muss mir selbst dienen, der ich nun gut und böse bin. Oder übersetzt: Welt, ich gehöre nicht zu dir. Ich bin meine eigene Welt, und du stehst von nun an gegen meine. Wir müssen sterben, weil das Universum uns beweisen muss, das wir nicht Gott sind. Wir sind Menschen. Deswegen kennen wir die Gnade. Weil wir aber gesündigt haben, praktizieren wir sie nicht, denn sie widerspricht der göttlichen Intention. Versteh mich, ich bin kein relgiöser Fanatiker, ich bin überhaupt nicht religiös, ich benutze nur Bilder. Die Liebe hört nicht auf menschliche Gerechtigkeit und Gnade, sie hat ihr eigenes Verständnis davon. Weil du der bist, der du bist, muss ich dich verstoßen, weil ich dich liebe. Blut darauf.
Die Melancholie von Alltagen frisst uns auf, die wir verstoßen wurden, und dennoch gehen wir weiter. Wir gehen die Wege zu Ende, weil wir uns so entschieden haben. Weil wir es uns selbst schuldig sind. Denn erst wenn wir ein Selbst haben, eine Position, kann der Herr uns führen auf Wegen, die nur ihm bekannt sind. Erst wenn wir jemand sind, können wir jemand lieben, auch wenn wir niemals wissen werden, was daraus geschieht und ob wir die Fremde überleben. Denn nicht wie ich will, sondern so wie du willst, oh Herr.*** Passion – so ist die Liebe.
Eloi Eloi lemma sabachtani – Mein Herrgott, warum hast du mich verlassen****? Das fragt sich die sterbende Liebe nicht von ungefähr. Gnade ist in der Liebe nicht zu finden, sie muss sterben – gnädig sein können nur die Frauen, die sie aufhoben und wuschen, zu Grabe trugen und ehrten, auch nachdem ihre Werke vorüber waren.
Wer Gnade zeigen will, der ehre die Liebe, die er verloren hat – denn es war sein Mund, der sie versprach und sein Herz, das sie fühlte. Wer Gnade zeigen will, strafe sein Herz nicht als irrsinnig und seinen Mund nicht Lügen. Darauf die Hand.
*Manowar, Heart of Steel, Kings of Metal 1988
**Ex. 3.14
***Mt 16.39
****Mt 27.46
Impressum siehe:
http://wandersteinsgedanken.blogger.de/stories/1035974/
Live by your heart
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Born with a heart of steel****
Die Liebe ist nicht perfekt – das war sie nie und das wird sie nie. Die meisten Geschichten der Liebe enden tragisch und schmerzvoll…
…und dennoch wünscht sich ein jeder, hinein zu fallen in das Auflösen des Selbst. Die Frage nach der Bedeutung der Liebe ist eine unsinnige Frage. Gewiss haben wir uns eine Welt des Leidens geschaffen, dass durch eben sie gekrönt wird, indem sie dem Leiden durch die Sehnsucht widerspricht. Was der Liebe Hohn spottet sind idealisierte Geschichten mit amüsanten Scheinproblemen, exzessiven Beschreibungen, wie gut die Protagonisten zueinander passen sowie intellektuellem Schwadronieren über ihren Reiz und ihre Verdammnis.
Die Frau die man liebt durch welchen Umstand auch immer zu verlieren ist eine Folter, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche. Ich würde ihm lieber die Zunge heraus schneiden, seine Augen blenden, seine Ohren taub machen und seine Hände und Füße unbrauchbar, als ihm die Frau zu nehmen, die er liebt. Und dennoch leben wir damit, leben damit, weil es so gekommen ist und darben und hungern und sterben jeden Tag ein wenig mehr. Blut darauf.
Es gibt Dinge, die kann man nicht vergessen. Wie sie gerochen hat – wie ihre Küsse sich anfühlten, ihre Haut, ihr Haar. Wie kalt sie sein konnte und wie schnell verletzt. Wie undankbar und wie nachlässig. Wie wunderbar es war, sie in meinen Armen zu haben und zu hören, wie sie von ihrem Leben erzählte. Ihr Anblick in einem Kleid auf den Rheinwiesen… solche Listen sind lang. Und wer es wagt, mich einen Idioten zu nennen, weil ich diesem nachhänge, der muss seinen Worten Taten folgen lassen, denn ich fordere ihn auf einen Kampf auf Leben und Tod. Es ist mir vollkommen ernst. Lieber sterbe ich, als Jahre meines Lebens und Sehnens zu verleugnen, von denen ich tief in mir fühle, dass sie weder vergebens waren noch sinnlos, noch dass sie umsonst waren oder zu teuer bezahlt wurden. So ist die Liebe.
Was soll ich Schönes erzählen? Wer liebt, kennt ihre Wunder. Wer die Wunder nicht erlebt, braucht nichts von ihnen zu wissen. Aber von all dem Leiden kann man sprechen, von all dem Schmerz, den einsamen Nächten, angefüllt mit den zwei Arten des Weinens, des Weinens um sich selbst und des Weinens um das, was man verloren hat, von welchem das letztere das Schlimmere ist. All die Drogen und idiotischen Phrasen, die man durch den Kopf bzw. in die Nacht jagt, nur um am nächsten Morgen trotzdem wieder aufzuwachen – in den trüben Morgen im Chaos der letzten Monate des Nicht Aufräumens, stinkend und mit knurrendem Magen. Blut darauf.
Wer denkt nicht an all die Zigaretten, Joints, Zigarren, Pfeifen, Eimer, manch einer hämmert sogar seinen Schädel gegen die Wand und schreit angesichts der blutigen Wunde ein wahrhaft barbarisches JAUP:
Nieder die Kunst, die nicht dem Blute entsprang,
gleich tosenden Wellen der Seele entrann!
Das ist die Liebe. Wenn die Dinge zu groß sind für das Tor, durch das sie hindurch möchten. Wenn man erst merkt, dass man kämpft, wenn man verloren hat – das ist die Liebe. Das Fremde, das nicht zu Verstehende, das Unergründliche, das Bedrohliche, in dem man sich selbst verliert – indem die Gefahr besteht, zu sterben – das ist die Liebe. Brennende Worte werden in dieser Fremde gesprochen und jede unbedachte Bewegung macht aus einer offenen Hand ein Schwert. Wegweiser sucht man vergebens, und Fallen lauern auf jedem Pfad. Und dennoch wird jeder ihn begehen, der ihren Odem auch nur für einen Augenblick vernahm.
Sie ist wie der Tod – man kann sich zu ihr nicht stellen. Sie hebt eine jede Position auf. Wer bist du, wenn nicht Position? So beschaffen ist die Fremde.
Wie ein Ikarus sind wir, wenn uns die Liebe beflügelt. Niemand widersteht dem Rausch, der nicht ein alter Mann ist, das will uns diese Legende sagen. Wer also lebt und liebt, verbrennt an der Sonne und stürzt und stirbt. Bevor er wieder lieben kann, muss er sich selbst neu gebären. Wisst ihr, wie?
So beschaffen ist die Fremde. Blut darauf.
Die große Bestie, die der Morgenröte spottet, die Frau auf dem dreiköpfigen Tier, das ist die Liebe. In den Kleidern der Ishtar kommt sie daher und verspricht, was sie niemals halten wird, weil das, was sie verspricht, nur in jenem Augenblick galt, indem es versprochen wurde. Eine launische Idee – das ist die Liebe. Nirgends hat es glühendere Geschichten gegeben, als an jenen Orten, an denen der Pfuhl zwei Menschen die Liebe verbot – glücklich, wer in diesen Breiten liebt. Denn wie wäre es, wenn die zwei sich selbst die Liebe verböten, so wie es gemein geschieht? Niemand erfährt davon, niemanden interessiert es. Es ist so tragisch und leidvoll, dass die Menschen lieber nichts davon wissen wollen. Lieber glauben sie das Gelaber von Amüsements und Kabalen.
All diese Schreie und das Toben, die Verzweiflung und das Einreißen der Tore, um Dinge hindurch zu lassen, die dafür noch zu groß sind. Was geschieht? Das Tor stürzt ein, wenn man es nicht stützt. Baut man es wieder auf, macht man es größer. Und was wird geschehen? Dieser Absatz beginnt wieder von vorne. Der Weg ist niemals zu Ende gegangen, so lange man sein Ende nicht beschließt.
All diese Blumen und Düfte, verschlungene Arme und Beine, all das Küssen und streicheln, sich fordern und nehmen, all das Lieben, die Ekstase in trunkenen Stadtnächten, all dieser Rausch… Realität tötet, oder die Liebe tötet, du kannst es dir aussuchen. Vielleicht töten ja beide.
Vielleicht sollte man um die Tore nicht so ein Gewese machen. Schließlich sind Tore dafür da, passiert zu werden, nur bei den meisten bitte passend in Scheibchen. Wer das ganze will, der muss aufpassen, dass er nicht erstickt, aber das ist ja seine eigene Schuld – was baut er das Tor auch zu klein?
Ja, wirst du sagen, ich habe das nicht gebaut. Tja, sage ich, fick dich, hast du. Du hast nicht gewusst, was du da tust, das ist richtig. Aber du hast es gebaut. Und die Welt hat dir geholfen. Tore einreißen ist eine Arbeit, bei der man kotzen muss und Tore aufbauen eine, bei der man ständig schmerzt. Erst Kotzen, dann Schmerzen – rosige Aussichten und dennoch…
…ein Kuss, und alles ist vergessen, eine Umarmung und alles vergeben, ein Wort und alles erlöst. Das ist die Liebe. Blut darauf.
Die Welt ist gewaltig. Sie ist gewalttätig. Sie kennt keine Gnade. Sie kennt keine Guten und keine Bösen. Sie kennt keine Absicht. Wir, die wir die Gewalt verstehen, haben die Gnade in sie getragen. Wir, die wir gnädig sind, kennen gute und böse Absichten. Doch das interessiert diese Welt überhaupt nicht. Und wir haben nicht die Macht, ihr die Gnade aufzuzwingen. Und wie die Welt, so ist die Liebe.
Du fragst mich nach Lösung, ich kenne keine. Ich gehe in den Untergang, und ich werde stehend sterben. Mehr habe ich nicht und mehr kann ich auch dir nicht anbieten. Ich werde viele Dinge sehen auf meinem Weg – das ist alles. Ich werde nicht wissen, ob sie gut oder böse waren, weil die Welt sie als solche nicht geschaffen hat. Die Welt ist, wie sie ist.
Auch ich bin, der ich bin**. Dafür müssen wir sterben. Adam und Eva, aus dem ewigen Leben vertrieben, weil sie die Erkenntnis um Gut und Böse gefunden hatten – weil sie sagten: ich bin nicht mehr dein alleiniger Diener, oh Herr, ich muss mir selbst dienen, der ich nun gut und böse bin. Oder übersetzt: Welt, ich gehöre nicht zu dir. Ich bin meine eigene Welt, und du stehst von nun an gegen meine. Wir müssen sterben, weil das Universum uns beweisen muss, das wir nicht Gott sind. Wir sind Menschen. Deswegen kennen wir die Gnade. Weil wir aber gesündigt haben, praktizieren wir sie nicht, denn sie widerspricht der göttlichen Intention. Versteh mich, ich bin kein relgiöser Fanatiker, ich bin überhaupt nicht religiös, ich benutze nur Bilder. Die Liebe hört nicht auf menschliche Gerechtigkeit und Gnade, sie hat ihr eigenes Verständnis davon. Weil du der bist, der du bist, muss ich dich verstoßen, weil ich dich liebe. Blut darauf.
Die Melancholie von Alltagen frisst uns auf, die wir verstoßen wurden, und dennoch gehen wir weiter. Wir gehen die Wege zu Ende, weil wir uns so entschieden haben. Weil wir es uns selbst schuldig sind. Denn erst wenn wir ein Selbst haben, eine Position, kann der Herr uns führen auf Wegen, die nur ihm bekannt sind. Erst wenn wir jemand sind, können wir jemand lieben, auch wenn wir niemals wissen werden, was daraus geschieht und ob wir die Fremde überleben. Denn nicht wie ich will, sondern so wie du willst, oh Herr.*** Passion – so ist die Liebe.
Eloi Eloi lemma sabachtani – Mein Herrgott, warum hast du mich verlassen****? Das fragt sich die sterbende Liebe nicht von ungefähr. Gnade ist in der Liebe nicht zu finden, sie muss sterben – gnädig sein können nur die Frauen, die sie aufhoben und wuschen, zu Grabe trugen und ehrten, auch nachdem ihre Werke vorüber waren.
Wer Gnade zeigen will, der ehre die Liebe, die er verloren hat – denn es war sein Mund, der sie versprach und sein Herz, das sie fühlte. Wer Gnade zeigen will, strafe sein Herz nicht als irrsinnig und seinen Mund nicht Lügen. Darauf die Hand.
*Manowar, Heart of Steel, Kings of Metal 1988
**Ex. 3.14
***Mt 16.39
****Mt 27.46
Impressum siehe:
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